Ein Tag aus dem Reiseleben von F und F


Aufenthalt von 18. Juni bis 23. Juli (36 Tage)
geschrieben von Franka

Nun sitze ich also hier in Tbilisi, Georgien und überlege was ich über die fünf langen Wochen in der Türkei schreiben soll. Ein Ding der Unmöglichkeit. So viele Eindrücke haben wir gesammelt, so viele unglaublich tolle Menschen getroffen. Ich könnte ein Buch über die Türkei schreiben, damit alles seinen Platz findet. Wir sind begeistert, wollten gerne länger dort bleiben und dieses riesige Land mit seinen gastfreundlichen Bewohnern bis in seine letzten Winkel erforschen. Aber dafür bleibt uns nicht die Zeit, der Winter in China wartet leider nicht auf uns. Aber dieses Land hat uns tief berührt und wir schwärmen noch immer von der Zeit, in der wir jeden Tag zu Chai eingeladen wurden…

Lasst mich deshalb von einem Tag in der Türkei berichten, euch ein wenig Radler-Alltag nach Hause schicken.

Um 6 Uhr klingelt der Handywecker, wie gewohnt drücken wir noch ein paarmal auf Snooze und lauschen ob Regentropfen an die Zeltwand klopfen. Leider nein, wir müssen wohl aufstehen, es wird auch schon unerträglich heiß im Zelt. Unser Zeltplatz liegt auf einer Wiese mit ein paar Bäumen drum rum, nebenan plätschert unsere fröhlich vor sich hin - der kleine Bergbach ist eine willkommene Erfrischung nach einem anstrengenden Radeltag.
Damien, ein Reiseradler aus Frankreich, den wir vor ein paar Tagen getroffen haben, quält sich auch aus seinem Zelt. Wir bereiten das Frühstück vor und packen parallel, jeder hat seine Aufgaben, alles ist Routine. Nach einer halben Stunde wischen wir das Zelt ab, was vom Tau der Nacht ganz feucht ist. Während es nun schneller trocknet, machen wir uns über unsere Müslischalen her, die Räder sind so gut wie fertig gepackt. Ich gieße das heiße Wasser aus der Thermoskanne (am Vorabend gekocht) über den Pulverkaffee (schon mit Milch und Zucker gemischt) und Frank genießt nun sein Lebenselixier. Puh, gerade noch rechtzeitig, er war schon ziemlich grumelig.
Mit vollem Magen wird der Rest noch verstaut, Geschirr abgewaschen, wir cremen uns noch ein und putzen die Zähne. Ein letzter Rundgang bestätigt, dass wir nichts liegen gelassen haben, nur niedergedrücktes Gras verrät unser Nachtlager.
Endlich geht es los, es ist erst 9 Uhr und der Fahrradcomputer zeigt 26°C, der Fahrtwind verspricht Abkühlung. Schon nach den ersten Kilometern schwitzen wir und verfluchen die Strecke. Rauf runter, runter rauf. Und das im ständigen Wechsel und mit streckenweise 10% Steigung. Da hilft nur anhalten, verschnaufen und wieder kräftig in die Pedale treten.

Obwohl die Strecke an der Küste nicht so sehr nach Bergen aussieht, ist sie unsere erste große Herausforderung seit wir Deutschland verlassen haben. Jeden kleinen Hügel nimmt die Straße mit und arbeitet sich von Tal zu Gipfel und von Gipfel zu Tal. Landschaftlich lohnt sich die Mühe: auf der einen Seite das Schwarze Meer auf der anderen grüne Hügel, in denen sich ab und an ein Dorf mit Mosche versteckt. Die Berge sind mit Findik (Haselnuss)-Bäumen bewachsen und dazwischen findet man ab und an Tee. Während wir bequem unser Zelt unter den Findikbüschen aufbauen können, ist die Teepflanze nur ca. 40 cm hoch und unscheinbar.

Zum Glück werden wir nach 20km an einer Tankstelle zum Chai herangewunken. In den typischen bauchigen aber kleinen Gläsern wird der Tee serviert, zwei Stück Zucker ist Minimum. Ein wenig türkisch haben wir während der letzten Tage gelernt und können schon kleine Konversationen führen. Wir sind mächtig stolz und die Gastgeber haben Spaß daran, uns noch mehr beizubringen. Tankstellen sind im Übrigen ein wahrer Segen für uns: hier bekommen wir Wasser, kostenloses WLan, Luft für die Reisen und ab und an auch eine Übernachtungsmöglichkeit.

Gott sei Dank wird die Strecke nun flacher und nach weiteren 20 km ist es auch Siesta-Zeit. Bei 35 Grad ist es zu einfach zu heiß zum radeln und wir könnten auch langsam Mittagessen gebrauchen. Wir machen es uns im Gras unter einem Baum gemütlich. Nach kurzer Zeit werden wir von den Arbeitern einer nahe gelegenen Kohlemiene entdeckt und bekommen Chai gebracht. Auch hier bringen wir unsere dürftigen türkisch-Kenntnisse an den Mann erfreuen uns an den fröhlichen Gesichtern. Einer der Männer lädt uns zu sich nach Hause ein, aber wir wollen heute noch einige Kilometer fahren. Wiederstrebend lassen sie uns weiter radeln, aber nicht ohne uns vorher noch ihre Kohlemine zu zeigen. Wir haben das Gefühl ein Bergwerk-Museum zu besuchen und können mit Sicherheit sagen, dass diese Mine weit davon entfernt ist, deutschen Sicherheitsbestimmungen zu entsprechen. Funktioniert aber trotzdem - oder gerade deshalb.

Voller neuer Energie und mit frisch aufgefüllten Wasserflaschen fahren wir weiter. Während des Tages werden wir oft auf einen weiteren Chai eingeladen, doch wir müssen ablehnen - wenn wir alle Einladungen angenommen hätten, wären wir noch immer in der Türkei. Die Gastfreundlichkeit verbunden mit der Chai-Kultur ist für uns der rote Faden während unseres Türkeiaufenthalts, ebenso wie die kleinen Quellen am Straßenrand, unsere Wasserversorgung Nummer eins. Oder wir füllen unsere Flaschen an den Moscheen auf, die mit Quellwasser gespeist werden. Bei diesen Temperaturen verbrauchen wir am Tag ca. 5 bis 6 Liter pro Person!

Mit vollem Magen lässt es sich besser denken und so lernen wir während der Fahrt neue Vokabeln, fragen uns gegenseitig ab: "Frank, was heißt Trinkwasser?" (kurze Pause) "Itschme suyu!". Da er die Frage richtig beantwortet hat, darf er nun eine Frage stellen: "Kann ich hier zelten?" (eine etwas längere Pause) "Burada kamp yapabilir miyim?". Apropos zelten, wir sollten Abendbrot einkaufen. Im nächsten Dorf halten wir an einem Minimarkt an und besorgen Tomaten, Gurken, Paprika und Feta für einen Salat, sowie Kartoffeln und Quark - wir versuchen uns gesund und abwechslungsreich zu ernähren. Es ist schon erstaunlich, was man mit ein bisschen Fantasie unterwegs zubereiten kann. Oh, beinahe hätten wir Obst und Jogurt fürs Frühstück vergessen. Nachdem wir in drei verschieden Läden waren, haben wir nun alles beisammen. Als wir aus dem Dörfchen rausradeln, haben wir mal wieder eine gewohnte Begegnung: ein Hund kommt kläffend auf uns zu gerannt. Seit Serbien sind wir solche Situationen gewöhnt (ob wilde Hunde oder nicht ist hierbei egal) und Franks orange Trillerpfeife oder eine Ladung Wasser aus unseren Trinkflaschen wirkt in den meisten Fällen Wunder.

Gegen sieben Uhr und nach 86 km ist es an der Zeit einen Zeltplatz zu suchen und wir biegen in eine vielversprechende Seitenstraße/Feldweg ein. Wir finden eine schöne Stelle mit genügend Platz für zwei Zelte. Routiniert entladen wir die Räder, bauen das Zelt auf und räumen es ein. Schnell noch die Kartoffeln auf den Kocher und dann gibt Trainer Frank auch schon Anweisungen zum Abdehnen. Gemeinsam schnippeln wir danach den Salat und schließlich gibt es ENDLICH Abendbrot. Wie drei halb Verhungerte machen wir uns über die vollen Töpfe her, bis auch der letzte Krümel verschwunden ist - verschwendet wird nichts.

Allerdings können wir uns nun kaum mehr bewegen und die Müdigkeit lässt uns schon bald (nach dem Zähneputzen und Abwaschen) in die Zelte kriechen. Frank notiert noch die Reisestatistik und wir schlagen unsere Bücher auf, doch nach eins oder zwei Seiten fallen uns schon die Augen zu….kurz bevor wir vollends einschlafen lassen wir den Tag, die Menschen die wir getroffen haben und die Landschaft im Geiste noch einmal Revue passieren…


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